Die Großfamilie als Leitbild der Altenpflege
Ausgehend von den Siechenheimen über eine Versorgung alter Menschen in Krankenhäusern und die Altenpflege mit Hotelcharakter noch bis in die Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts hinein, wird die Altenpflege heute zunehmend in Form einer Großfamilie praktiziert. Leitbild dieser sich seit etwa zehn Jahren entwickelnden Betreuungsform ist die Anknüpfung an familienähnliche Strukturen.
In Kleingruppen leben bis zu elf betreuungsbedürftige Senioren in einer Art und Weise zusammen, die möglichst viele Erinnerungsmöglichkeiten an ihre ehemals gewohnte Lebensform innerhalb der Familie zu Hause anbietet. Eine wo immer machbare Selbstbestimmung der Tagesstruktur, die Integration in gemeinschaftliche Tätigkeiten, wie zum Beispiel die Vorbereitung des Essens, die gemeinsame Einnahme der täglichen Mahlzeiten und kleine hauswirtschaftliche Tätigkeiten sind Kerninhalte der im Senioren-Pflegeheim St. Martinus praktizierten Pflegeform. Insbesondere die weiterhin angeregte Fortsetzung von unter Umständen ein ganzes Leben lang ausgeführten praktischen Tätigkeiten soll zum Mobilitätserhalt bei den alt gewordenen Menschen beitragen.
Unterstützung erhalten sie hierin von sogenannten Präsenzkräften, die innerhalb der überschaubaren Kleingruppe als Ansprechpartner, neben den selbstverständlich vorhandenen Pflegekräften, zur Verfügung stehen. Durch diese Präsenzkräfte wird die bewohnerorientierte Tagesstruktur sowie die Organisation der Hauswirtschaft sichergestellt und im Übrigen der Gruppenzusammenhalt gefördert. Angehörige der Heimbewohner sowie Ehrenamtliche vervollständigen die bewusst angestrebte Gemeinschaft innerhalb der „Hausgemeinschaft“.
Das Stichwort Hausgemeinschaft findet sich zudem in der baulichen Konzeption der Einrichtung wieder. Die obligatorischen Einzelzimmer mit eigenen Sanitäreinheiten dienen in der Hauptsache als Rückzugsmöglichkeit und Schlafraum. Die Möblierung besteht in der Regel aus dem privaten Mobiliar ihrer Bewohner. Das Gemeinschaftsleben selbst findet außerhalb der Zimmer in den dafür vorgesehenen Räumlichkeiten statt. Diese sind architektonisch so angelegt, dass sie sowohl das Kleingruppenleben ermöglichen, durch mobile Wände aber auch ein wohngruppenübergreifendes Raumangebot realisieren können.
Eine weitere Durchbrechung der bisherigen Altenheimstrukturen erfahren die Bewohner von St. Martinus, wie auch die in den Schwestereinrichtungen in Alfhausen und Neuenkirchen, durch eine angestrebte Vernetzung der Heimeinrichtung mit den umliegenden Institutionen. So sind es insbesondere in Bramsche zwischenzeitlich durchschnittlich acht Kindergartenkinder, die regelmäßig an den Mittagsmahlzeiten der Bewohner teilnehmen. Hierdurch erhalten die berufstätigen Elternteile mehr zeitliche Flexibilität für ihren Arbeitsalltag. Die Kinder genießen quasi großelterliche Aufmerksamkeit, und die alten Menschen bekommen regelmäßig lebhaften Besuch und die damit verbundenen Anregungen von außen.
Das große Interesse, auf das die Ausführungen von Katrin Schlömer und Berthold Eich bei den Unionsfrauen stießen, spiegelte sich in der anschließenden Frage-Antwort-Runde wider, die aus Zeitgründen am Buffet des Neujahrsempfangs fortgesetzt wurde.